People suck but it’s okay because cats

Fabian Stark Kontent 2017

People suck but it’s okay because cats

Über die Autorin

Julia Nitschke studiert Szenische Forschung in Bochum, forscht zu (Internet-)Phänomenen der gegenwärtigen Katzenbilderkultur und stellt so drängende Fragen über unsere Welt und das Leben. Ansonsten tourt sie in einem Wohnwagen mit ihrem Kollektiv Meine Wunschdomain als magisch-menschliche Medienkunst und Orakel durch die Welt.

Lecture 29.07.2017

People suck but it’s okay because cats ist eine weitverbreitete und international anerkannte Aussage, die nicht aus meinen Gehirnzellen stammt, sondern aus einem weitverbreiteten Medium: Internet.

Vielmehr noch handelt es sich hier nicht nur um einen Satz, sondern um das oben abgebildete Meme. Es ist das Symbolbild meiner dreijährigen Katzen-Internet-Forschung. Ich habe es nicht selbst gemalt, sondern fand ich es nach einer sehr gezielten Suche im Internet. Hierfür habe ich die Suchmaschine verwendet, die von den meisten Menschen weltweit verwendet wird und damals sehr plausible Kriterien aufwies, nach denen Suchergebnisse gemäß ihrer Popularität angezeigt wurden. Welche sich wiederum darin äußerte, wie oft ein Bild im Internet geteilt, geliked, kommentiert und aufgerufen worden ist.


Alles Indikatoren, die dieses Bild zu einem forschungsrelevantem Gegenstand erheben.

PEOPLE SUCK BUT IT’S OKAY BECAUSE CATS, was bedeutet das eigentlich?
Der erste Satzteil heißt so viel wie „Menschen sind scheiße“. Übersetzen wir an dieser Stelle „die Menschen“ noch ein wenig freier mit „Menschheit“, reden wir eigentlich schon von „der Welt“. Also steht da DIE WELT IST SCHEISSE – gefolgt vom Appendix „but it’s okay“.

 

Da drängt sich doch einer*m die Frage auf, warum eine solch negativ konnotierte These von so vielen Menschen akzeptiert wird? Das Meme selbst liefert eine sehr einfache, obgleich grammatikalisch inkorrekte Lösung:

 

BECAUSE CATS. Weil Katzen.

Die erhoffte Antwort ist endlich einmal einfach statt komplex, braucht zwei Wörter statt drei Seiten. Grammatik spielt auch keine allzu große Rolle, der Inhalt steht im Vordergrund.

 

Zusammengefasst bedeutet der Satz also: Die Welt ist scheiße, aber das ist okay, weil Katzen. Das ist natürlich eine extrem radikale These und lässt auf eine Extremisierung des Internets schließen. Heikle Angelegenheit. Leicht unangenehm. Aber zum Glück müssen wir uns damit nicht weiter beschäftigen, weil:


Stattdessen beschäftigen wir uns mit dem unangefochtenen Erfolgsrezept von Katzen – und inwiefern Menschen, die künstlerisch arbeiten, davon profitieren und dieses Erfolgsgeheimnis für sich nutzen können.

 

Und genau hier steckt ein Lösungsansatz, wie Frauen entweder doppelt so erfolgreich werden wie Männer oder zumindest endlich die Gender Pay Gap überwinden – und wie sie es schaffen könnten, auch schon vor dem 18. März Geld (s. Fußnote) zu verdienen. Ich selbst komme aus dem Bereich der darstellenden Kunst, dem Theater also. Da verdient bis zum 18. März niemand was, aber Frauen fangen wohl erst im Mai damit an.

 

Wie auch immer zeichnet sich das Theater vor allem dadurch aus, dass es eine für sich eigene funktionierende Welt darstellt, mit sehr vielen Regeln und Strukturen. Nichtsdestotrotz wird vor allem dieser Ort immer wieder als ein Ort der Utopie betrachtet. Sprich all unsere Allmachts- und Weltverbesserungsfantasien können nirgendwo so adäquat realisiert werden wie im Theater, dort sind solche Maßnahmen innerhalb von 90 Minuten umsetzbar. Es gehört zum guten Ton, zwischen größtmöglichen Gegensätzen zu oszillieren, Kategorien zu zerstören; Grenzen aufzuweichen oder sie gar zu überschreiten. Paradoxerweise beruht auch das alles auf Regeln und einem System. Und die allerwichtigste Regel ist folgende:

Niemals, und damit meine ich wirklich niemals und unter gar keinen Umständen mit einem Kind oder einem Tier auf der Bühne stehen, denn sie werden dir immer – und das kann ich durchaus lückenlos bestätigen – sie werden dir immer den Fokus klauen.

Dreimal dürft ihr raten, was ich seit drei Jahren mache, wenn ich diese Lecture Performances halte.

Bild: Tom Grosse

Ich stehe permanent mit dem erfolgreichsten und am meisten Aufmerksamkeit auf sich ziehenden Konzept einer Katze auf der Bühne: der gemeinen INTERNETKATZE. Je weiter der Abend voranschreitet auch mit sogenanntem Porncontent gepaart.

Bild: Tom Grosse

Warum tue ich das?

1. Vor allem, weil ich das Bedürfnis habe alle vermeintlichen Regeln zu brechen – ich komme schließlich aus dem Theater.

Einmal positiv gewendet handelt es sich hier natürlich um ein unschlagbares Kosten-Nutzen-Prinzip. Und als Künstler*in bin ich davon abhängig, mir möglichst kosten- und zeitsparende Konzepte zu überlegen. Egal, wie lange ein Theaterstück sich mit einer Umsetzung auseinandergesetzt hat; egal, wie viel Theorie in maximal 90 Minuten stückchengerecht verpackt wurde, sobald ein Kind oder Tier, egal in welcher Form auf einer Bühne lediglich erscheinen, unterhalten sich bis zu 99,7% des Publikums am Ende hauptsächlich über beide eben genannten Protagonist*innen. Es ist also weiter gar nicht nötig, dass beide irgendetwas machen, denn ihnen wird von vornherein ein hoher Authentizitätsfaktor zugesprochen, welcher, wie wir alle wissen, in allen Bereichen der Kunst immer und immer wieder für immer eines der wichtigsten Themen bleiben wird, merke: Authentizität.

2. Aber ich mache das AUCH, weil ich noch immer an das Internet glaube.
In Internet I still trust!
Und weil drei Jahre Catcontent-Forschung mir einen Blick in das Erfolgsgeheimnis von Katzen beschert haben.

Schauen wir uns an, woran es liegt, dass bestimmte Memes viral geteilt werden, also sehr schnell populär werden. Erfolgsstrategie Nummer eins sind Bilder mit gewissem Humor oder überraschenden Wendungen. Ein weiterer Faktor des Erfolges ist die Niedlichkeit, die beim untersuchtem Forschungsobjekt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit vorhanden ist. Dies ist anhand verschiedener Reaktionen bei Menschen, sobald sie auf Kinder oder Tiere treffen – oder eben Katzenpics im WWW – nachzuweisen. Stimmen werden grundsätzlich höher, Proband*innen neigen dazu neue Worte zu erschaffen. Gut, oftmals sind es eher Geräusche als Worte. Kurz, Menschen geraten in einen rauschähnlichen Zustand und dieser Rauschzustand ist vergleichbar mit einem Glücksmoment.

Und das, liebe Leser*innen, ist wunderbar! Denn obwohl die Welt scheiße ist, ist der Mensch immer noch in der Lage, in einen Glücksrausch zu verfallen.

Und manchmal wird der Glücksrausch durch die Internetkatze dann auch zum Wissensrausch! #OMG

Wie in (1.) angedeutet, befinde ich mich als Künstlerin eh schon immer in der neoliberalen Hölle. Das bedeutet, ich akzeptiere meine prekären Arbeitsbedingungen unter der wunderbaren Prämisse, meine Arbeit mit meinem Alltag bzw. meiner Lebenswelt in Einklang zu bringen. Es gibt ja gar keine Grenzen mehr zwischen Arbeit und Freizeit. Kunst und Alltag became one. Also ist auch Katzenvideokonsum da, um mich selber zu „verbessern“. Oder wie ich es sagen würde: zu empowern.

Und da der Satz „Magic happens outside your comfort zone“ zu banal und zu abgedroschen ist, analysiere ich pedantisch Katzengifs und -videos. Dabei zielt das Erfolgsgeheimnis der Katzen auf kleinste Bewegungen und den Habitus der Katzen ab, die allerdings maximale Wirkung auf uns Menschen haben. Also doch irgendwie das Out-Of-The-Box– Mantra. Warum aber auch nicht.

Besonders als witzig geltende, virale Videos oder Gifs, die vor allem unsere Schadenfreude aktivieren, zeigen Katzenverhalten, das aus Menschenperspektive eher als ein sogenanntes Fehlverhalten oder im besten Fall als ein gesellschaftlich nicht akzeptiertes Verhalten interpretiert wird.

Hier ein kleines Gedankenexperiment.

Natürlich kann ich an dieser Stelle in aller Detailtreue genaue Bewegungen und Wirkmechanismen aufdröseln, allerdings mache ich das lieber live in der Lecture Performance, da ich dort die Möglichkeit habe auch das entsprechende Material unmittelbar zu zeigen.

Metaphorisch gesprochen geht es hier darum die „dunklen“ Seiten der Menschheit anzusprechen. Normativität zu sprengen – ein anderes Verhalten zu akzeptieren – zu etablieren, neue Sichtweisen zu erweisen. Kurz: Es geht wirklich um eine ganze Menge!

Wie ihr seht, bin ich überzeugt, dass diese Form der Zerstreuung unser Energieriegel in Zeiten von Aufmerksamkeitskrisen sein kann. Dass sie klar genutzt werden soll, um weiterhin politisch agil und aktiv zu bleiben und nicht in Depressionen und Sackgassendiskussionen unterzugehen.

Bild: binarythis.com

Entscheidet euch für bewusste Zerstreuung durch das Internet. Ich habe getwittert: „In Internet I still trust.“ Vielleicht ist das Internet noch zu jung, um schon etablierte Mythen und Regelwerke zum safen Internetgebrauch zu haben. Aber wie auch immer, dies ist der Moment, wo ich dies als einen Mythos mitprägen und offiziell verlautbaren möchte.

Use the Internet as a space that you’re looking for!

Fußnote
Die Gender Pay Gap (GPG) beschreibt die geschlechtsspezifische Lohnlücke: den prozentualen Unterschied im durchschnittlichen Bruttostundenverdienst von Männern und Frauen. Die vom Statistischen Bundesamt errechneten Bruttostundenlöhne der Frauen betrugen im Jahr 2016 16,26 Euro, während Männer auf 20,71 Euro kamen. Damit liegt die Lohnlücke in Deutschland bei 21 Prozent. Weitere Informationen zur Berechnung des Gender Pay Gaps findet ihr beim Statistischen Bundesamt. Der Equal Pay Day markiert symbolisch die geschlechtsspezifische Lohnlücke. Umgerechnet ergeben sich aus den 21 Prozent 77 Tage, die Frauen 2017 umsonst arbeiten, und das Datum des nächsten Equal Pay Days ist somit der 18. März 2018.